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Die Sache mit dem Neid

Ich habe, ohne es zu merken, einen großen Fortschritt gemacht. Ich habe auf dieser Website in der Kategorie "Kinderwunschwissen für Außenstehende" schon beschrieben, wie schwierig es für mich war, von den ersten Schwangerschaften im Freundeskreis zu erfahren, seit ich so viel Pech mit dem Geschwister-Wunsch hatte. An meiner unglücklichen Kinderwunsch-Situation hat sich bisher zwar nichts geändert, aber vor kurzem geschah Folgendes:

Eine Bekannte, deren biologische Uhr schon relativ laut tickt, hat ziemlich spät ihr erstes Kind bekommen und wünschte sich sehnlichst noch ein Geschwisterchen. Doch ihr Partner hat sie hingehalten, obwohl er gar kein zweites Kind wollte. Es folgte bald die Trennung. Jetzt habe ich kürzlich erfahren, dass sie einen neuen Partner hat, der ihren Kinderwunsch teilt und mit dem sie es jetzt noch mal versucht (Meines Wissens nach ist bei ihnen keine Reproduktionsmedizin nötig). Und mein erster Impuls, ohne Nachzudenken, war: Ich freue mich aus tiefstem Herzen für sie, dass sie diesen neuen Mann gefunden hat! Okay, es handelte sich noch nicht um eine Schwangerschaftsverkündung, aber wenn alles gut geht, folgt das ja bald. Der Punkt ist, ich habe kein bisschen Neid empfunden, weil sie ohne Arzt schwanger werden kann und das vermutlich auch bald sein wird. Ich habe mich einfach so sehr für sie gefreut, weil ich weiß, wie tief so ein Kinderwunsch verwurzelt ist und wie schlimm es ist, wenn er unerfüllt bleibt. 

Mir wurde das erst bewusst, als mein Mutter, die dabei war, anerkennend sagte, dass sie meine Reaktion toll findet. Da wurde mir erst klar, dass ich vor zwei Monaten vermutlich noch verhaltener reagiert hätte. Und ich denke, dafür ist die Kur, so blöd sie insgesamt auch war, doch gut gewesen. Denn ich hatte dort psychologische Betreuung und die Psychologin hatte mir eine Aufgabe gegeben:

 

Wenn mein Sohn in der Betreuung ist, sollte ich alleine an den Strand gehen, mir einen Kiesel suchen, der meine Gefühle symbolisiert, und noch mal alles gedanklich durchleben: Kinderwunschbehandlungen, Fehlschläge, Fehlgeburt. Ich sollte alles richtig nachspüren und rausheulen. Und wenn es sich dann richtig anfühlt, den Kiesel, der dafür steht, ins Meer werfen. 

Ich ging also mit der festen Absicht Rotz und Wasser zu heulen ans Meer und suchte mir ein Steinchen aus. Ich erinnerte mich intensiv an die vorangegangenen eineinhalb Jahre und weinte... nicht. Ich hatte keine Tränen mehr übrig (vermutlich alle schon am Anreiset weggeweint). Deshalb ließ ich mich stattdessen auf alle negativen Gefühle ein, die abgesehen von der Trauer da waren. Und ganz besonders den Neid. Ich stellte mir vor, wie alle möglichen Frauen in meinem Umfeld Babys kriegen würden und wie ich ohne zweites Wunschkind daneben stehen würde. Ich ließ das Gefühl zu und leitete es in mein Steinchen. Nach einiger Zeit schleuderte ich das Ding, so weit ich konnte, ins Meer. Es fühlte sich ganz gut an. Zwar nicht bahnbrechend, aber ganz gut. 

Offensichtlich hat es jedoch wirklich gewirkt und wenn ich mir jetzt vorstelle, wer alles Nachwuchs bekommen könnte, ist es nicht mehr schlimm. 

Danke an das Meer, das meinen Neid für mich geschluckt hat! 

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