Kinderwunschwissen für Außenstehende

Auch für das Umfeld von Kinderwunsch-Paaren kann es schwer sein, mit dem Thema umzugehen. Du willst helfen, aber kannst nichts tun? Du hast vielleicht eigene Sorgen, aber deine beste Freundin hat nur noch ihren Kinderwunsch im Kopf? Hier möchte ich dir die wichtigsten Dinge an die Hand geben, die ich in diesem Zusammenhang wichtig fand.

Tipp Nr. 1: Frage niemals "Und? Wann ist es denn bei euch so weit?"

Ganz besonders dann nicht, wenn du keine enge Beziehung zum betreffenden Paar hast. Es ist zwar weit verbreitet, aber das gehört sich einfach nicht. Nie. Und zwar aus folgenden Gründen:

 

- Vielleicht will das Paar gar keine Kinder und hat keinen Bock auf Diskussionen.

- Vielleicht ist die Frau aber auch schon schwanger, aber hat es gerade erst erfahren und möchte es noch nicht preisgeben.

- Oder aber sie sind sich nicht einig, ob sie Kinder wollen und es ist ein Streitthema.

- Womöglich hat das Paar es auch schon lange erfolglos versucht und dies ist ein wunder Punkt für sie.

 

In jedem Fall, selbst wenn keiner der oben genannten Punkte zutrifft, ist es nervtötend, wenn jeder Hinz und Kunz über so etwas Intimes sprechen möchte. Wenn diesbezüglich Redebedarf besteht, wird dass Paar schon selbst mit der Sprache herausrücken. Und wenn du diese Frage nur als nett gemeinten Einstieg nutzen willst, um deine eigene Geschichte zu teilen, verzichte einfach darauf und erzähl lieber direkt drauf los.

Tipp Nr. 2: Sei verständnisvoll, auch wenn du es nicht verstehen kannst.

Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch, insbesondere, wenn es Frauen sind, besonders wenn sie schon unter dem Einfluss künstlicher Hormone stehen, können manchmal schwierig sein. Sie sind überempfindlich und ihren Emotionen hilflos ausgeliefert. Dem ständigen Wechsel von Hoffnung, Enttäuschung, Euphorie und Ernüchterung ausgesetzt. Sie befinden sich nicht selten in einer echten Lebenskrise, haben Versagensängste und stellen ihren ganzen Lebensplan infrage. In ihnen herrscht ein ständiger Kampf zwischen Neid und Mit-Freude für andere. Sie tragen eine tonnenschwere Last der Besorgnis auf ihren Schultern. Wenn du dir das klarmachst, scheint es dir vielleicht nicht mehr so abwegig, wenn sie irrationale oder extreme Dinge sagen oder tun.

Ich selbst war mal in der Situation, dass ich völlig verständnislos gefragt wurde, wieso wir denn nicht einfach Spendersamen nehmen, wenn unser Problem doch nur auf der männlichen Seite liegt. Wenn wir das nicht versuchen, könne unser Kinderwunsch ja gar nicht so groß sein. Das hat mir tief verletzt. Diese Person wusste ja überhaupt nicht, ob wir das schon in Erwägung gezogen hatten und warum wir uns dagegen entschieden hatten. Nur weil es noch andere Optionen gibt, die man nicht ausschöpfen kann oder will, heißt das nicht, dass der Kinderwunsch nicht groß ist. Es gibt fast immer noch krassere Wege, die man gehen könnte. Man könnte auch ins Ausland gehen, wo Dinge wie Leihmutterschaft legal sind. Jedes Paar darf seine eigenen Grenzen festlegen und das hat überhaupt keine Aussagekraft über die Stärke des Kinderwunsches. Punkt.

Tipp Nr. 3: Halte dich mit gut gemeinten Ratschlägen zurück.

"Überlegt es euch doch noch mal." 
"Wollt ihr diese Prozedur wirklich über euch ergehen lassen?" 
"Vielleicht soll es dann einfach nicht sein." 
"Entspannt euch einfach mal. Bei XY hat es sofort geklappt, sobald sie aufgehört haben, es zu versuchen." 
Danke, nein. Das hilft kein bisschen weiter, wenn einem das Grundbedürfnis nach Fortpflanzung unerfüllt bleibt. Stell dir mal vor, dir spricht jemand dein Grundbedürfnis nach Selbstverwirklichung ab. Angenommen du strebst deinen absoluten Traumjob an: 
"Hör doch lieber auf dich zu bewerben. Vielleicht soll es der Job einfach nicht sein. Willst du wirklich noch mehr Absagen riskieren? Für XY hat sich spontan eine Chance aufgetan, als sie aufgehört hat, sich zu bewerben, weil sie dann offene Augen für anderes hatte." 
Frag dich erst, ob du das gerne hören würdest, bevor du es anderen sagst. 

Tipp Nr. 4: Du darfst dich hilflos fühlen.

Wenn du ein guter Freund oder ein Familienmitglied bist, wirst du dem Paar, das unter unerfülltem Kinderwunsch leidet, gerne helfen wollen. Emotional aufgeladene Situationen, zum Beispiel wenn wieder ein Schwangerschaftstest negativ war oder es eine Fehlgeburt gab, machen sprachlos und rufen betretene Stimmungen hervor. Es gibt in diesen Situationen nichts, was du tun kannst, um es "wieder gut" zu machen. Niemand erwartet von dir geistreiche Worte. Halte dich an die oben genannten Regeln und sag es ruhig, wenn du einfach nicht weißt, was du sagen sollst. Biete Unterstützung an und stelle sicher, dass die Betroffenen wissen, dass du für Gespräche zur Verfügung stehst. Teile ihren Kummer mit ihnen. Sag: "Das ist wirklich traurig. Das tut mir so leid" und bringe vielleicht einfach mal ein selbstgekochtes Essen vorbei.

Tipp Nr. 5: Du darfst auch eigene Sorgen äußern.

Möglicherweise steigert sich deine Freundin/Schwester/etc. in ihren Kinderwunsch rein und hat schon fast Scheuklappen auf, nimmt nichts anderes mehr wahr. Ich bitte dich, ihr das von Zeit zu Zeit nachzusehen. Aber wenn es zu krass wird, darfst du das sagen. Nur mach es einfühlsam: "Ich verstehe, was du gerade durchmachst und ich kann mir vorstellen, wie schwer das ist. Aber ich habe etwas auf dem Herzen, das ich gerne mit dir teilen möchte." Ja, du bist auch noch da und es ist manchmal gut, daran erinnert zu werden. Deine Sorgen sind nicht weniger wichtig, als ihre und ihr seid schließlich Freunde/Familie, um alles gemeinsam durchzustehen. Ganz nebenbei ist es sogar gut für die Betroffene, sich auch mal wieder auf etwas anderes zu konzentrieren. 

"Aber wie sage ich es ihr, wenn ich selber schwanger bin?"

Das ist eine durchaus schwierige Frage und die Antwort kann natürlich von Mensch zu Mensch variieren. Ich fasse hier einfach mal zusammen, was für mich als Kinderwunsch-Frau gut und weniger gut war. 

 

Als erstes muss ich gestehen, dass ich wirklich Angst vor dem Moment hatte, in dem mir eine Freundin ihre Schwangerschaft verkündet. Ich wusste nicht, wie ich reagieren würde. Und dann trudelte die erste frohe Botschaft ein. In diesem Beispiel ist es nicht so gut gelaufen:

 

Das befreundete Pärchen hat uns angerufen und, wahrscheinlich als Höflichkeitsfloskel, gefragt, wie es bei uns aussieht. Wir erzählten von den ganzen Fehlschlägen, der Fehlgeburt und der jüngsten gescheiterten ICSI, deren negatives Ergebnis noch ganz frisch war. Direkt danach verkündeten sie uns, dass sie ihr zweites Kind erwarten. Das war gedankenlos, taktlos und sehr verletztend. Da konnte ich mich tatsächlich kein bisschen mitfreuen. Es hat mich in ein sehr tiefes Loch des Kummers gestürzt und ich hatte sofort den Wunsch, dieses Paar nie wieder zu sehen. (Übertrieben und unrealistisch? Vielleicht. So fühlte es sich aber an.)

 

Beim zweiten Mal lief es besser. Weil wir sehr offen mit unserer Geschichte umgehen, wissen unsere Freunde bescheid. Und die zweite schwangere Freundin hat es mir sehr behutsam "beigebracht" und dazu noch Verständnis geäußert, falls ich mich nicht sofort mitfreuen könnte. Allein diese Äußerung hat mir schon geholfen, doch Freude für sie zu empfinden. Nichtsdestotrotz hat mir auch diese Nachricht noch mal mein ganzes verdrängtes Leid an die Oberfläche geholt und mir vor Augen gehalten, dass ich da noch sehr viel zu verarbeiten habe 

 

Ich möchte definitiv wissen, wenn jemand in meinem Umfeld schwanger ist. Ich würde es viel verletzender empfinden, wenn ich es über Umwege erfahre oder erst dann, wenn es schon ganz offensichtlich ist. Mir ist bewusst, dass es meine eigene Aufgabe ist, einen Weg zu finden, damit umzugehen. Niemand kann etwas dafür, dass es bei mir nicht klappt. Es ist einfach pures Glück und darüber darf sich jeder hemmungslos freuen, ohne sich wegen mir schlecht fühlen zu müssen. 

 

Aber es hilft, wenn man es vorsichtig erzählt bekommt und vielleicht nicht gerade unmittelbar, nachdem man schon wieder gescheitert ist. Außerdem tut es gut, auf Verständnis zu stoßen und wenn es akzeptiert wird, dass man die Nachricht erstmal sacken lassen muss, bevor man einen Freudentanz aufführen kann. 

Neid ist nicht gleich Missgunst!

Ja, Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch sind neidisch auf Schwangere. Absolut. Mir geht das auch so. Es bedeutet, dass andere etwas haben, das ich auch gerne hätte.

Aber es bedeutet NICHT, dass ich möchte, dass sie es nicht haben. Das ist ein großer Unterschied. Ich missgönne anderen das Babyglück nicht. Ich möchte es schlicht und ergreifend für mich auch haben. Das ist sehr wichtig zu verstehen. Ich bin neidisch, aber nicht missgünstig. 

Ich wünsche keiner Frau der Welt einen unerfüllten Kinderwunsch! Ich weiß wie prägend und lebensbeeinflussend das ist. Ich fühle mich nicht besser, nur weil jemand anderes vielleicht noch mehr leidet als ich. 

Ich kann unter meiner Kindersehnsucht leiden, neidisch sein UND gleichzeitig einer anderen Frau ihr Baby von Herzen gönnen und mich sogar mitfreuen, auch wenn das Zeit braucht.