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Die Mutter-Kind-Kur

Fast ein Jahr musste ich nach Bewilligung der Kur darauf warten, sie antreten zu können (wegen Corona). Während des Jahreswechsels 2019/2020 ging es mir bereits so schlecht, dass meine Hausärztin sich Sorgen machte, ich könnte Depressionen haben und mit mir die Kur beantragte. Dabei stand mir die Fehlgeburt und eine weitere gescheiterte ICSI erst noch bevor. Als ich dann Anfang Dezember 2020 endlich zur Kur aufbrechen durfte, hatte ich ein komisches, schlechtes Gefühl und wäre am liebsten gar nicht losgefahren. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht warum, aber inzwischen weiß ich, dass ich wohl geahnt hatte, dass es besser gewesen wäre, diese Kur nicht zu machen. 

 

Schon am Anreisetag hätte ich zu gerne auf dem Absatz kehrt gemacht, um nach Hause zu fahren. Die üblich Info- und Kennlernveranstaltung durfte wegen Corona nicht stattfinden und das Aufnahmegespräch war auch erst am nächsten Tag, sodass  ich mich ziemlich alleingelassen fühlte. Ich verbrachte den Tag mit weinen, auspacken, weinen, meinem Sohn meine Traurigkeit erklären, weinen, spazieren und weinen. Meine Hoffnung, beim Abendessen vielleicht Anschluss zu finden, wurde wegen Corona im Keim erstickt. Jede Familie musste alleine am Tisch sitzen. Außerdem erfuhr ich gleich zur Begrüßung, dass ich eigentlich nur eine halbe Kur bekomme - wegen Corona - weil alle Gruppen verkleinert sein müssen, sowohl die Kinderbetreuung, als auch die Therapiegruppen. 

Am zweiten Tag fand das Arztgespräch statt, sonst nichts. Dann kam der Freitag, der erste richtige Therapietag. Ich war sehr unglücklich mit der Kinderbetreuung, weil man mir nicht erlaubt hatte, meinen Sohn am Anfang für ein paar Minuten in der fremden Umgebung zu begleiten. Wegen Corona musste ich ihn abgeben und sofort gehen. Das führte dazu, dass wir beide am Freitagmorgen in Tränen aufgelöst vorm Kinderland standen. Das wurde jedoch zum Glück schnell besser, als ich erfuhr, dass er immer gut zufrieden war, sobald ich außer Sichtweite war. 

Inzwischen war ich auch mit anderen Müttern ins Gespräch gekommen und konnte ein bisschen neuen Mut schöpfen. Leider kam dann direkt das Wochenende, ohne Programm und Freizeitangebote, dafür aber mit jeder Menge Langeweile. Habe ich schon erwähnt, dass es kein Internet gab? 

In der nächsten Woche hatte die Kurklinik technische Probleme und verschiedene Therapien fielen aus. Zwar sollten die später nachgeholt werden, aber am jeweiligen Tag selbst gab es keinen  Ersatz, was sehr ärgerlich war und wirklich verschwendete Zeit verursachte. An einem Tag hatte ich dadurch überhaupt keine Anwendungen. Als ich auf eigene Initiative den Sportraum aufsuchte, wozu wir auch ermutigt worden waren, wurde ich nach einer halben Stunde freundlich hinausgebeten, weil dort ein Kurs stattfinden sollte. Leider war es nirgends einzusehen, wann der Raum frei oder belegt sein würde. Die Organisation war wirklich schlecht. 

 

Die zweite volle Woche war gut! Ja, ich habe auch etwas positives zu sagen. Alle Therapien fanden planmäßig statt und ich fühlte mich am Ende der Woche richtig wohl und entspannt. In der Freizeit spielte mein Sohn gerne mit seinem neuen Kumpel, mit dessen Mutter ich mich sehr gut verstand. Das war wirklich schön!

Die letzte halbe Woche war dann leider echt für die Tonne. Zuerst habe ich mir beim simplen Versuch, mir mein Auge zu reiben, die Hornhaut des Auges zerkratzt. Dafür kann die Klinik nichts, das ist mir bewusst. Das war meine eigene Dummheit. Der Hausmeister der Klinik fuhr mich in ein Krankenhaus, das eine Autostunde entfernt war, damit ich mein Auge untersuchen lassen konnte. Ich hatte große Schmerzen und konnte das rechte Auge nicht öffnen, es tränte wie verrückt. Dies bedurfte jedoch keiner Behandlung, abgesehen von antibiotischer Salbe gegen Entzündung und Schmerztabletten. Das Schöne war, dass die anderen Mütter sehr nett waren und mir viel geholfen haben, insbesondere mit der Betreuung und der Verköstigung meines Sohnes. 

Am Tag danach war die Abschlussuntersuchung. Juhu, ich hatte 1,5kg abgenommen! Meinem Auge ging es noch nicht besser, aber ich hatte schon mit meinen Eltern vereinbart, dass sie uns und mein Auto am nächsten Tag abholen würden. So weit, ao gut. Dann kam jedoch raus, dass es einen positiven Coronafall in der Klinik gab und wir mussten alle bangen, ob wir noch vor Ort in Quarantäne müssten. Schließlich hieß es, dass wir zu Hause in Quarantäne sollten, was schon mal besser war, aber trotzdem natürlich das geplante Weihnachtsfest ruinierte. Außerdem müsste ich bei meinen Eltern in Quarantäne, weil ich ja nicht selbst Autofahren konnte (und sie mich aus logistischen Gründen mit zu sich nach Hause genommen hätten, anstatt mich drei Stunden länger zu mir nach Hausezufahren). Dieses nervenaufreibende Hin und Her endete glücklicherweise damit, dass ich doch nicht als K1-Kontakt eingestuft wurde und lediglich zu erhöhter Vorsicht angehalten wurde. Dennoch war die gewonnene Entspannung dahin und ich kam wieder völlig aus meinem Rhythmus. Wegen des verletzten Auges konnte ich kein Sport machen, wegen meiner Psyche habe ich wieder total viele Süßigkeiten gegessen, die ich mir zuvor mühevoll abgewöhnt hatte. Und ich bin wieder sehr, sehr müde geworden. So müde, dass ich mir nicht vorstellen kann, jemals wieder Energie zum Arbeitengehen zu haben. Geschweigedenn Energie für ein zweites Kind. Ich fühle mich einfach nur schwach und überfordert. Auch wenn mein Auge inzwischen verheilt ist und ich den Absprung vom Naschkram, sowie den Wiedereinstieg ins Sportprogramm geschafft habe, bin ich dennoch mutloser und trauriger, als vor der Kur. Meine Pläne von der Selbständigkeit fühlen sich einfach nur noch falsch an, aber Alternativen habe ich auch nicht. 

Ich werde sehen, was die Zukunft bringt, aber im Moment freue ich mich kein bisschen darauf.

Ich weiß inzwischen aus Erfahrung, dass nach jedem Ab auch wieder ein Auf kommt. Auch wenn ich es mir jetzt noch nicht vorstellen kann, weiß ich, dass es wieder bergauf gehen wird. Irgendwie wird sich alles finden. Hoffe ich.

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