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Dem Kinderwunsch auf den Grund gehen

Ich hatte schon eine ganze Reihe vom Fehlschlägen hinter mir, als ich im Internet auf eine sehr inspirierende Dame stieß, die sich "Kinderwunsch Coach" nennt. Sie begleitet Frauen durch den Kinderwunsch, hat ihren Schwerpunkt aber auf den Abschied vom Kinderwunsch gelegt. So weit war ich noch lange nicht, aber dennoch buchte ich ein Coaching bei ihr. Dieses befasste sich thematisch insbesondere mit dem Geschwister-Kinderwunsch.

Ich bin heute noch ganz verblüfft, wie diese Frau in die Tiefen meiner Psyche vorgedrungen ist - und das alleine online und am Telefon, ohne ein einziges "echtes" Treffen. Die bahnbrechendsten Erkenntnisse für mich waren:

Ich wünsche mir so sehr noch ein Kind, weil ich die Chance auf ein Mädchen möchte (Vielleicht erinnerst du dich aus Reise 1, dass ich enttäuscht war, einen Jungen zu bekommen?). Natürlich war mir bewusst, dass ein zweites Kind auch wieder ein Junge werden kann, aber ich wollte wenigstens die Chance auf ein Mädchen. Und warum war das so? Ich hinterfragte diesen Wunsch und kam darauf, dass er mit völlig anderen Dingen, als dem Kinderwunsch an sich zu tun hat. Zum einen waren mir Jungs eben einfach fremd. Ich hatte als Kind nur Freundinnen, keine Freunde. Ich hatte nur eine Schwester, keine Brüder. Ich hatte ein viel innigeres Verhältnis zu meiner Mutter, als zu meinem Vater. Ich konnte mit Jungs einfach nichts anfangen, wenn man so will. Das war aber nur ein Teil der Problematik. In mir schlummerte nämlich schon lange die Angst, jemand zu werden, der ich nicht sein will. Und das Sinnbild dieser Angst ist "eine blöde Schwiegermutter". In meinem Bekanntenkreis sind es immer die Schwiegermütter (=die Mütter der Männer) die komisch, aufdringlich, anstrengend, nervig oder intrigant sind. Die Ausnahmen, wie zum Beispiel meine eigene Oma, die eine ganz tolle Schwiegermutter für meine Mama gewesen war, hatte ich unbewusst ausgeklammert und mein Gehirn hat folgendes Schema abgespeichert: Jungs-Mütter werden irgendwann doof (Sehr bescheuert, ich weiß!). Dazu kommt, dass sich in irgendwelchen verworrenen Gängen meines Denkapparates als Lösung manifestiert hat, dass ich eine Tochter haben muss, um nicht so zu werden (Noch viel bescheuerter, ich weiß!). Das war mir vorher alles überhaupt nicht bewusst gewesen. Diese Hintergründe zu verstehen gab mir eine Klarheit, die sehr, sehr guttat. Und mir ich verstand vor allem, dass ich da irgendwelche unsinnigen Ängste, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie hatte, in meinen Kinderwunsch hineingeflochten hatte, wo sie absolut nicht hingehörten. Ich konnte diese Ängste nun vom eigentlichen Problem trennen und dann auch noch ablegen, weil ich begriff, dass ich es absolut selbst in der Hand habe, was für eine Schwiegermutter ich mal werde. 

Ein weiterer Hintergrund meines Kinderwunsches war der Plan, eine lange Babypause zu machen, bevor ich wieder ins Berufsleben einsteigen würde, anstatt zwischendurch ganz kurz wieder zu arbeiten. Und die Tatsache, dass ich eine traumatische Geburtserfahrung gemacht hatte und jetzt unbedingt auch noch eine schöne Geburt erleben wollte. Beides Gründe, die bei mir einen Druck auslösten, schwanger werden zu müssen.

Mir dieser Dinge bewusst zu sein, "heilte" meinen Kinderwunsch natürlich nicht. Aber sie halfen mir ungemein, das Hier und Jetzt mehr zu schätzen. Ich hatte mich zwischenzeitlich nämlich so in diesen Wunsch hineingesteigert, dass ich fast blind für das Glück wurde, dass ich schon hatte. Ich war so sehr einem potenziellen künftigen Kind hinterhergejagt, dass ich meine reales Kind gar nicht mehr als das Wunder schätzen konnte, dass es ist. Seit dieser Erkenntnis erfreue ich mich wieder viel mehr an meinem Sohn und der Kinderwunsch, der immer noch da ist, liegt nicht mehr ganz so schwer auf meinen Schultern.

Die zweite bahnbrechende Erleuchtung im Rahmen des Coachings war, so simpel es klingen mag, mir andere Projekte zu suchen, auf die ich mich konzentrieren kann. Denn der Kinderwunsch bremste alle anderen Lebensbereiche aus: Wir können uns kein Haus kaufen, bevor wir nicht wissen, wieviele Familienmitglieder wir am Ende sein werden. Ich kann mir keinen neuen Job suchen, bevor die Familienplanung nicht abgeschlossen ist, weil ich ja nicht schwanger werden will, wenn ich gerade neu irgendwo angefangen habe. Und überhaupt, das Leben richtig genießen kann ich sowieso erst, wenn ich ein weiteres Kind habe. Wie unsinnig diese Gedanken waren! 

Ich fühle mich sehr erleichtert, diese störenden Gedanken geordnet und aussortiert zu haben. Alleine hätte ich das niemals geschafft. Ich brauchte jemanden, der mir vor Augen hielt, wie limitierend meine Ansichten eigentlich waren und wie leicht sie zum Teil verändert werden konnten. Wie schon gesagt, der Kinderwunsch ist nicht weg, aber er ist nicht mehr ganz so belastend.

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