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Die Fehlgeburt

Ich teile an dieser Stelle den Eintrag in mein Kinderwunschtagebuch, dass ich für mein zukünftiges Kind angelegt hatte, vom 25.06.2020:

 

Was Liebeskummer wirklich bedeutet, weiß ich erst jetzt. Heute war ich zum Ultraschall bei meiner Frauenärztin und die konnte nur eine beginnende Fehlgeburt feststellen. Ich weiß nicht mehr, wo oben und unten ist. Ich kann nicht mehr. 

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Einige Stunden sind vergangen und der Schock konnte sich etwas legen. Die Trauer jedoch nicht. Ich verstehe es einfach nicht. Wie konnte das nur passieren?

Ich möchte den heutigen Tag festhalten. Ich war super aufgeregt, weil ich heute erfahren würde, ob du eins oder zwei bist. Ich habe mich so wahnsinnig auf den Termin gefreut! Zuerst musste ich ziemlich lange warten, bis ich dran war. Dann kam die Ärztin und ich erzählte ihr noch, wie neugierig ich bin. Sie untersuchte mich und bemerkte dabei direkt etwas Blut an ihrem Instrument. Dann machte sie den Ultraschall und da sah man... nichts. Keine Fruchthülle, keinen Embryo, keinen Herzschlag. Nur einen Gewebeklumpen, der die Fehlgeburt ankündigt. Mir wurde noch Blut abgenommen und eine Spritze gegeben, weil ich Rhesus-negativ bin. Ich sollte einen Termin für Anfang nächster Woche machen, zur Kontrolle, aber die Sprechstundenhilfe war nicht so nett und sagte mir nur, dass ich dann mit viel Wartezeit kommen sollte, weil kein Termin frei ist. Dann hab ich deinen Papa angerufen und bin nach Hause gefahren. Habe mit meiner Schwester und meiner Mama telefoniert und auch meinen Freundinnen die traurige Nachricht mitgeteilt. Ich habe sehr viele warme Worte zurückbekommen und sehr viele Gesprächsangebote. In der Zwischenzeit habe ich schlimme Bauchschmerzen bekommen. Leichtere hatte ich schon länger, fand die aber nicht so schlimm, weil ich sie für Schwangerschaftssymptome hielt. Doch jetzt, wo ich weiß, dass meine Gebärmutter versucht, den toten Gewebeklumpen abzustoßen, kann ich die Schmerzen kaum ertragen. Ich habe mittlerweile auch eine Blutung bekommen. Ich habe noch einen Schwangerschaftstest zu Hause gemacht und der war negativ. Es ist also kein Fünkchen Hoffnung auf ein Wunder mehr da. Das ist aber ganz gut so. Gewissheit ist wesentlich besser als Hoffnung, die schmerzhaft zerstört wird. Du bist nicht mehr da. Du bist nicht mehr bei uns. Und zum jetzigen Zeitpunkt weiß ich nicht, ob ich die Kraft für einen weiteren Versuch habe. Du willst offenbar nicht bei uns sein. Dann sollten wir es vielleicht nicht länger forcieren.

28.06.2020

 

Jetzt ist es schon 3 Tage her. An dem Abend nach meinen Arzttermin ist noch der "Gewebeklumpen" aus mir raus gekommen, den sie im Ultraschall gesehen hat. Das warst natürlich nicht du, aber das, was du hätte werden sollen. Ich bilde mir ein, Ansätze menschlicher Strukturen in der Fruchtblase erkannt zu haben. Das Ganze war etwa so groß wie eine 2€-Münze. Ich konnte es nicht über mich bringen, es wegzuschmeißen oder das Klo runterzuspülen. Darum habe ich es in Servietten gewickelt und heute haben wir es im Wald vergraben.

 

 

29.06.2020

 

Heute hat sowohl das Bluttestergebnis als auch ein weiterer Ultraschall bestätigt, dass ich nicht mehr schwanger bin. Ich weiß wirklich nicht, wie es jetzt weitergehen soll. Ich möchte einerseits wirklich so schnell wie möglich einen neuen Versuch starten. Andererseits halte ich es für vernünftiger, der Sache etwas Zeit zu geben. Jedoch weiß ich eins: Aufgeben kann ich dich immer noch nicht, auch wenn du unseren Einladungen bisher nicht gefolgt bist.

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