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Die Geburt - Traum oder Trauma?

Meine Frauenärztin hatte mich eine Woche vor dem errechneten Geburtstermin in die Klinik geschickt, um die Geburt einzuleiten - als einzige Chance, einem Kaiserschnitt wegen zu großem Kind zu entgehen. In der Klinik angekommen wurde ich untersucht, ans CTG gelegt und sehr, sehr lange warten gelassen, damit man mir Stunden später sagte, dass sie mich heute nicht einleiten können, weil sie total überlastet sind und mich dann nicht betreuen könnten. Ich wurde also wieder nach Hause geschickt. Aufgewühlt, enttäuscht und verunsichert. Klar, ich verstand das natürlich. Immerhin wollte ich mich gut versorgt wissen, wenn es bei mir so weit war und es war ja auch nur ehrlich, zuzugeben, dass sie dies an diesem tag nicht leisten konnten. Ich sollte am nächsten Morgen im Kreißsaal anrufen und fragen, wie die Lage ist. Ich machte das Beste draus und verbrachte noch einen Spieleabend mit meinem Mann und meiner Mama, die um den Geburtszeitraum herum bei uns zu Besuch war, weil ich sie so gerne dabei haben wollte. Und am nächsten Morgen rief ich dann im Krankenhaus an, jedoch nur um wieder vertröstet zu werden. Es war gerade wieder Land unter und ich sollte in zwei Stunden noch mal anrufen. Als ich das dann tat hatte ich eine ziemlich erschöpft klingende Hebamme am Telefon, die aber wohl Mitleid mit mir hatte und sagte: "Kommen Sie her, wir kriegen das schon irgendwie hin." 

Also fuhr ich mit gepackter Kliniktasche freudig und optimistisch die die Klinik. Ich wurde wieder untersucht, ans CTG gehängt, spazieren geschickt, sehr lange warten gelassen und auf mein Zimmer geschickt. Das Problem war nur, ich hatte gar kein Zimmer, weil keins frei war. Ich musste also bis zum späten Nachmittag warten, als eine glückliche kleine Familie das Krankenaus verließ und ich ein Bett beziehen konnte. So lange saßen meine Mutter und ich auf dem Gang herum oder drehten Runden im Klinikgarten. Erst auf Nachfragen meinerseits hin teilte man mir um 22 Uhr mit, dass man es nicht verantworten könnte, meine Einleitung zu starten, weil man immer noch völlig überlastet war und keine Kapazitäten für mich frei waren. Ich war sehr enttäuscht, aber man sicherte mir zu, gleich am nächsten Morgen die Erste zu sein, die eingeleitet würde. Ich war auch sehr verständnisvoll, denn die Hebammen tat wirklich ihr Bestes und mussten es ausgleichen, dass ein nahegelegener Kreißsaal kürzlich geschlossen worden war. Sie taten mir schon Leid. Außerdem ging es mir ja so weit noch ganz gut. Und schließlich hatte ich ja auch ein Zimmer bekommen, durfte also über Nacht wenigstens schon einmal da bleiben. Meine Zimmernachbarin hatte an dem Abend schon ihr Baby bekommen, entsprechend unruhig war die Nacht.

Um Vier Uhr nachts erwachte ich aus meinem leichten Dämmerschlaf, weil ich dachte, ich mache mir plötzlich in die Hose. Ich bin aus dem Bett gesprungen und es machte "Platsch!" Wie im Film. Meine Schlafanzughose war durchnässt und es hatte sich eine Pfütze gebildet. Ich war erstmal völlig erschrocken. Meine Zimmernachbarin, die ohnehin noch wach war, drückte für mich den Schwester-Rufknopf. Ich ging erstmal zur Toilette. Die Schwester wische meine Pfütze weg, brachte mir eine trockene Hose aus dem Schrank und bezog das Bett frisch. Sie meinte, ich soll dann mal zum Kreißsaal rüber gehen. Das machte ich dann auch und wurde erstmal wieder ans CTG gelegt. Es waren noch leine Wehen da und der Muttermund war auch noch nicht wirklich geöffnet. Zu der Zeit war im Kreißsaal nichts los und ich dachte, ich könnte mir jetzt den Raum aussuchen, in dem ich entbinden wollte. Ich wollte nämlich gerne einen mit Badewanne, doch nur zwei der vier Räume hatten eine Wanne. Aber nach dem CTG musste ich leider schon wieder gehen, durfte mich allerdings im Wehenvorzimmer ausruhen, weil ich gesagt hatte, dass es in meinem Zimmer wegen des Neugeborenen meiner Nachbarin eher unruhig war. Einige Stunden später wurde wieder ein CTG geschrieben und ich begann auch allmählich etwas zu spüren, was sich wie Regelschmerzen anfühlte. Ich war richtig gut gelaunt, weil ich maßlos erleichtert war, dass mein Sohn sich doch noch alleine auf den Weg gemacht hatte und ich nicht eingeleitet werden musste. Man hatte mich ja wieder und wieder vertröstet, doch jetzt gab mein Sohn das Tempo vor. Ich war richtig glücklich und freute mich sehr auf die Geburt. Um 11 Uhr zeigte das CTG auch schon leichte Wehen an, dem Kind ging es super und ich wurde zurück auf mein Zimmer geschickt. Dann kamen auch meine Mutter und mein Mann an und ich begann die Wehen zu veratmen. Um 16 Uhr sollte ich wieder zum CTG und war fest entschlossen, bis dahin brav auszuhalten. Obwohl meine Zimmernachbarin jeden Menge Besuch bekam, der mit im Raum war, ließ ich mich nicht beirren und veratmete und veratmete und veratmete. Meine Mama stoppte immer die Zeit und meinte so gegen 15 Uhr, dass wir jetzt rübergehen sollten. Ich wollte eigentlich noch nicht, aber ich ließ mich dann überreden. Das war auch gut, denn im Kreißsaal angekommen stellte die Hebamme fest, dass ich schon 8 cm offen war.

Dann fing das Drama an. Es war nur noch ein Kreißsaal ohne Wanne frei, was schon eine kleine Enttäuschung war. Durch den Ortswechsel bin ich aus meiner Konzentration geraten und bekam es nicht mehr hin, die Wehen zu veratmen. Da kam es mir erstmalig wie Schmerz vor. Man hatte mir schon die ganze Zeit Schmerzmittel angeboten, aber die brauchte ich bis dahin gar nicht. Doch jetzt fragte ich danach, in der Annahme, man würde mir ne Tablette geben oder einen Tropf. Vielleicht auch etwas homöopathisches, völlig egal. Doch die Hebamme, die im Gegensatz zu allen anderen Kolleginnen, die ich bisher kennengelernt hatte, überhaupt nicht nett und herzlich war, sondern resolut und grob, sagte sofort: "PDA, alles klar ich rufe den Anästhesisten". Das hatte ich überhaupt nicht gewollt, war in dieser Ausnahmesituation aber unfähig, abzulehnen. Also bekam ich eine PDA gelegt, was drei Versuche bedurfte, da der Narkosearzt zweimal ein Blutgefäß getroffen hatte, bevor er es hinbekam. Das war wirklich mehr als unangenehm. Diese eigentlich ungewollte PDA war auch noch schlecht gelegt, weil mein rechtes Bein dadurch vollends gelähmt war und ich mich überhaupt nicht mehr bewegen konnte. Ab da gab es für mich nur noch die Käferposition, am linken Arm einen Tropf, am rechten Arm eine Blutdruckmanschette und das rechte Bein lahm. Ich habe mich richtig gefesselt gefühlt. Die PDA sorgte gefühlt fünf Minuten lang für etwas Erleichterung, doch dann setzten richtig starke Wehen ein, die ich absolut nicht mehr veratmen konnte und ich musste mich auch übergeben. Die grobe Hebamme meinte dann irgendwann: "Na, dann versuchen Sie doch mal zu pressen". Dass es dafür noch zu früh war, merkte ich erst viel später, als ich dann wirklich einen Pressdrag hatte. Aber das wusste ich ja zu dem Zweitpunkt nicht und folgte ihrer Anweisung. Ich wusste aber gar nicht, wohin ich drücken soll, weil es sich einfach falsch anfühlte. "Das reicht nicht. Sie wollen ja gar nicht richtig", schimpfte die Hebamme. Mein Blutdruck stieg unterdessen auf 195/115 oder so und ich weiß noch genau, dass man mir eine orangefarbene Tablette dafür gab. (Obwohl meine Mutter und mein Mann bezeugen können, dass das passierte, ist es im Geburtsbericht nicht dokumentiert worden. Den hatte ich mir später nämlich angefordert, um das Erlebnis zu verarbeiten. Doch der ist nur unvollständig geführt worden.) "Nicht so atmen! Das bringt nichts, weder Ihnen noch dem Kind", ermahnte mich die grobe Hebamme, nicht meiner intuitiven Atmung zu folgen. Es wurde dann auch noch die eine Assistenzärztin dazu gerufen, die meine einzige Sympathieträgerin war. Am Ende waren jede Menge Leute im Raum: ich, mein Mann und meine Mutter (von mir erwünscht), eine unterkühlte Hebammenschülerin, die nette Assistenzärztin und eine Oberärztin, die sich auch noch mit der groben Hebamme stritt und von ihr den Mund verboten bekam. 

Ich sagte die ganze Zeit nur "Scheiße" Scheiße" Scheiße!", denn das war die Situation. So hatte ich mir das überhaupt nicht vorgestellt. Ich hatte nicht so gedrängt und ausgeschimpft werden wollen. Ich wollte nicht wie gefesselt auf dem Rücken liegen. Und ich hatte trotz der schlechten PDA höllische Wehenschmerzen. Es war ein einziger Alptraum. Ich wollte eigentlich im Wasser entbinden, oder wenigstens in Bewegungsfreiheit, vielleicht in der Hocke oder dem Vierfüßlerstand. 

Irgendwann hörte ich ein "Knapps!" und dachte mir, oh! Da bin ich jetzt wohl geschnitten worden (ohne Ankündigung). Und dann, direkt nach dem Schnitt, ohne dass ich noch mal gepresst hätte, flutschte mein Sohn an einem Stück aus mir raus. Die Nabelschnur wurde direkt durchtrennt, ohne wie versprochen auspulsieren gelassen zu werden. Man legte mir mein Kind auf die Brust, aber ich konnte es kaum halten, weil ich so schlapp war und schon in leicht aufrechter Liegeposition Kreißlaufprobleme bekam. Die Plazenta kam ohne Probleme mit einmal Pressen heraus. Die nette Assistenzärztin nähte meinen Dammschnitt (was sie sehr gut macht! Ich hatte hinterher gar keine Probleme damit) und ich versuchte meinen Sohn zu stillen, was überhaupt nicht gut klappte.

Meine Mutter war sehr gerührt und auch dem frisch gebackenen Papa standen Freudentränen in den Augen. Bei mir setzte aber nicht das erwartete Hoch-Gefühl ein. Ich kann wirklich nicht sagen, dass ich mir sofort wie im siebten Himmel gefühlt habe. Ich war eher erschlagen von den Erlebnissen und fühlte mich überfordert und enttäuscht. Dabei hatte ich so viel auf mich genommen, um dieses Kind in die Welt zu setzen. Jetzt lag es da in meinen Armen und ich hatte keinen Ahnung, was ich jetzt damit machen sollte.

Kurz danach wurden meine Mutter und mein Mann von der groben Hebamme nach Hause geschickt, weil die Besuchszeit vorbei sei. Ich wurde mit dem Kleinen alleine gelassen, weil gerade Schichtwechsel war und da dann keiner Zeit für mich hatte. Ich hatte die ganze Zeit Angst, mein Kind rutscht mir weg. Es ging mir richtig schlecht.

 

 

Aber wie es nach der Geburt weiterging, gibt es beim nächsten Mal...

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