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Der Geschwister-Kinderwunsch

So traumatisch ich die Geburt meines Sohnes auch empfunden hatte, kann ich mich noch genau an meine allerersten Worte erinnern, die ich sagte, nachdem der Kleine aus mir raus geflutscht war: "Beim nächsten Kind, kann ich da einen Kaiserschnitt mit Vollnarkose haben?" (Antwort: "Nein, können Sie nicht!") Zum einen zeigt diese Frage natürlich, wie schlimm das soeben erlebte für mich war, weil ich auf gar keinen Fall noch einmal so etwas erleben wollte. Aber die wesentliche Aussage ist doch, dass ich direkt ein nächstes Kind wollte. Trotz allem. Gerade wegen allem. Es mag paradox klingen, aber inmitten all der Überforderung, erfasste mich ein überwältigender Kinderwunsch, den ich sogar als noch größer empfand, als vor meinem Sohn. Vielleicht waren die Hormone schuld an diesen widersprüchlichen Gefühlen. Fakt ist, die Überforderung ging weg, der Kinderwunsch blieb. Und so wartete ich eigentlich nur auf den passenden Zeitpunkt, wieder den Weg in die Kinderwunschklinik antreten zu können.

Wir dachten uns, in unserer naiven Annahme, dass wir einen Einfluss darauf hätten, dass zwei Jahre doch ein schöne Altersabstand zwischen Geschwistern sind. Ich und meine Schwester sind fünf Jahre auseinander und das empfanden wir als Kinder immer zu viel, auch wenn es heute natürlich keine Rolle mehr spielt. Für meine eigenen Kinder wünschte ich mir aber einen geringeren Abstand, weshalb wir also abwarteten, bis unser Sohn ein Jahr alt wurde. Bis dahin hatten wir uns super als Familie eingegrooved und die Nächte waren auch schon nicht mehr so unruhig. Wir waren bereit für Kind Nr. 2! Ich stimmte mich mit YouTube-Videos und ähnlichem schon einmal darauf ein. Ich führte sogar ein Ritual durch, um die kleine Kinderseele zu uns einzuladen. Ich schrieb einen Brief an sie und hatte einfach schon ein ganz starkes Gefühl einer Verbindung zur ihr (ihr = der Kinderseele, nicht unbedingt ihr = einem Mädchen). Immer wenn ich im Wald spazieren ging, konnte ich sie förmlich spüren und erzählte ihr dann in Gedanken, wie sehr ich mich schon auf sie freute und wie sehr sie jetzt schon geliebt wurde.

Und dann hatten wir endlich den langersehnten Termin in der Klinik. Etwas widerwillig nahm ich hin, dass man das ganze Theater mit Hormontest und Gebärmutterspiegelung noch einmal machen wollte, um sicher zu gehen, dass durch meine Schwangerschaft keine Verwachsungen entstanden waren. Das passiert wohl nur extrem selten und war auch bei mir nicht der Fall. Ein Schelm, wer jetzt denkt, dass diese Untersuchungen nur für die Finanzen der Klinik nützlich waren! Hust. 

Jedenfalls war der Weg frei und ich freute mich, zu hören, dass wir im sogenannten "Spontanzyklus" direkt den ersten versuch starten konnten. Das bedeutete, wir konnten meinen bereits laufenden Zyklus nutzen. Dafür musste ich jeden zweiten Tag zum Ultraschall in die Klinik kommen, damit die Gebärmutterschleimhaut beobachtet werden konnte. Und als die dann endlich gut aussah, musste ich mir zu Hause eine Spitze setzen (Immerhin nur eine, was ja der Vorteil an einem Kryo-Versuch ist: die ganzen Stimulationsspritzen kann man sich sparen). Dann kamen auch wieder die unangenehmen Vaginaltebletten, die ich noch von damals kannte, und weitere Tabletten dazu. Ich hatte ja erwähnt, dass wir noch 6 Embryonen eingefroren hatten und ich war mir absolut sicher, dass darunter auch mein zweites Kind war. Für diesen Spontanzyklus-Versuch ließen wir erst einmal zwei Stück auftauen. Einer davon entwickelte sich allerdings nicht weiter, weshalb mir dann auch nur einer eingesetzt werden konnte. Im allerersten Moment, als mir gesagt wurde, dass da nur ein Embryo ist, war für mich sofort klar, dass dieser Versuch nicht klappen würde. Aber ich verbot mir diesen Gedanken und versuchte ganz besonders positiv zu sein. Die Ärzte in der Klinik hatten mir gesagt, dass die Chancen, bei einem Kryo-Versuch nur unerheblich geringer sind, als bei einem "Frisch-Versuch". Außerdem war ich mit meinen 29 Jahren auch noch jung und gesund. Auf all das konzentrierte ich mich während der Wartezeit. Das führte dazu, dass ich mir kurz vor dem Schwangerschaftstest absolut sicher war, schwanger zu sein. Mir war übel, ich war kurzatmig, hatte ein Stechen in den Brüsten... Aber mein Körpergefühl hatte mich in die Irre geführt. Der Test war negativ. Es fiel mir schwer, das zu glauben. Auch, als ein Test einige Tage später ebenfalls negativ war, genauso wie der Bluttest in der Klinik später. Erst als ich meine Periode dann bekam, sickerte die Einsicht so richtig zu mir durch. Na klar, es wäre auch ein absolutes Wunder gewesen, wenn es zweimal hintereinander gleich beim ersten Versuch geklappt hätte. Und ein Fehlschlag war ja nun wirklich noch kein Weltuntergang. Ich hatte es irgendwie auch verdient, bei all dem Glück das ich schon hatte. Jetzt war ich eben an der Reihe, dafür zu bezahlen. Ich nahm diese "Strafe" an und konzentrierte mich auf den nächsten Versuch. Wir hatten ja noch vier Embryonen eingefroren und ganz bestimmt war dort der Richtige dabei! Ganz bestimmt!

 

Fortsetzung folgt...

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