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Die Stimulation

Am 07. Mai 2017 habe ich mir dann die erste Stimulationsspritze gesetzt. Endlich! Seit dem vorangegangenen Oktober hatte ich diesem Moment entgegen gefiebert. Na ja, nicht der Tatsache, dass ich mir etwas Spitzes in die Haut stecken musste natürlich, sondern dem Zeitpunkt, an dem wir endlich anfangen konnten!

Wie wir zuvor von den Ärzten gelernt hatten, kommt für uns ausschließlich eine ICSI infrage. Das eingefrorene „Material meines Mannes“, wie ich es gerne nenne, ist weder für eine Insemination noch für eine IVF geeignet und kann nur im Labor direkt in eine Eizelle eingebracht werden. Paradoxerweise bin ich also diejenige, die sich einer belastenden Hormonbehandlung unterziehen muss, obwohl das Problem ja gar nicht auf meiner Seite liegt.

(An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass Schuldzuweisungen bei uns nie ein Thema waren. Ja, der Grund für unsere Probleme liegt anatomisch gesehen bei meinem Mann, aber dennoch sind wir ein Team, das gemeinsam diesen Weg gehen muss.)

Also begann ich mir täglich stimulierende Hormone zu spritzen. Obwohl... das war gar nicht die erste Spritze. Die allererste Spritze gab es im Vorzyklus in der Klinik. Die sollte mich nämlich künstlich „in die Wechseljahre“ versetzen, damit meine eigenen Hormone nicht ungünstig dazwischen funkten, wenn die Synthetischen kamen. Jedenfalls begann alles mit Spritzen. Meine Stimmung war wirklich bestens! Ich war aufgeregt und hatte so ein unumstößliches Gefühl, dass das selbstverständlich klappen wird. Die Befruchtung musste zwar im Labor stattfinden, aber mein Körper war ja gesund. Ich sah also überhaupt keinen Grund, warum es nicht klappen sollte. Daher steckte ich die Stimulation auch sehr gut weg. Ich war 27 Jahre alt, also noch jung und fit. Meine Größten Bedenken galten damals eigentlich meiner Arbeit, denn ich war Flugbegleiterin – zum Glück nur Kurz- und Mittelstrecke, sodass ich ich im Regelfall abends wieder nach Hause kam – und das bedeutete Schichtdienst. Mal ein bisschen später zur Arbeit kommen, weil man morgens noch kurz zum Arzt musste, ging nicht, weil mein Flug dann weg gewesen wäre. Ich musste mich also für die ganze Stimulationszeit krankschreiben lassen. Das war ohnehin vernünftig, denn bei meiner Arbeit ist man vor unvorhergesehenen Erschütterungen nicht geschützt und das ist mit angeschwollenen Eierstöcken eher ungesund. Aber ich hatte die ganze Zeit ein schlechtes Gewissen, „krankzufeiern“. Im Falle eines Erfolgs wäre das egal gewesen, denn sobald ich schwanger wäre, würde ich sowieso ins Beschäftigungsverbot kommen und dann waren die Fehltage auch unwichtig. Aber ich durfte ja nicht die Möglichkeit außer Acht lassen, dass es nicht klappen konnte und dass dann durch eine weitere Behandlung sogar noch mehr Krankheitstage entstehen würden. Bei uns in der Firma war es nämlich üblich, zu sogenannten „Fürsorgegesprächen“ eingeladen zu werden, die offiziell wirklich fürsorglich waren, eigentlich aber eher so etwas wie eine Ermahnung darstellten. Niemand wollte so etwas haben. Um diese Banalität kreisten meine Gedanken damals. Da kann ich heute nur noch den Kopf drüber schütteln...

 

Mit der voranschreitenden Stimulation traten dann auch erste körperliche und seelische Nebenwirkungen auf. Ich verspürte einen beträchtlichen Druck im Bauch, was logisch ist, wenn man bedenkt, dass die Eierstöcke unter der Behandlung auf ein Vielfaches anschwellen können. Ich war auch ziemlich müde und vor allem sehr weinerlich. Letzteres machte es schwer zu ertragen, dass man in der Kinderwunschabteilung der Uniklinik, in der wir uns behandeln ließen, wie am Flughafen abgefertigt wurde. Natürlich haben die viel zu tun und wollen zügig arbeiten. Das versteht ja auch jeder, denke ich. Aber dass man sich wirklich wie auf dem Fließband vorkommt, ist einfach belastend. Ich weiß nicht, wie es in anderen Kinderwunschzentren ist, aber bei diesem ging es auch unfassbar chaotisch zu. Einer wusste nicht, was der andere macht, man bekam falsche Informationen und dann wurde auch noch erwartet, dass man selber mitdenkt, wann welche Tests und Untersuchungen noch gemacht werden müssen. Während ich fleißig gespritzt habe, musste ich ungefähr jeden zweiten Tag zum Kontrollultraschall. Ich war also wirklich häufig da und erst beim letzten Termin vor der Punktion fiel auf, dass ich noch gar nicht beim Anästhesisten war und dass noch ein Hepatitistest von mir und meinem Mann fehlt. Das mussten wir dann auf Biegen und Brechen alles noch am selben Tag hinkriegen und mein Mann musste sogar von der Arbeit rüberkommen, um sich testen zu lassen. Nur damit dann später gesagt wurde, dass das unnötig war, weil man sein TESE-Material schon getestet hatte und dann braucht man nicht erneut testen. Als wäre das nicht alles schon beunruhigend genug, wurde ich dann auch noch ermahnt, ein bisschen besser mit darauf zu achten, was gemacht werden muss. Hallo? Geht's noch? Woher soll ich denn bitte wissen, wie ihr eure Arbeit zu machen habt? Ich war ja zum ersten Mal dort in Behandlung und völlig ahnungslos. Wenn man bedenkt, mit was für Patienten die zu tun haben, nämlich verunsicherten, hormongesteuerten, teilweise verzweifelten Frauen, ist das wirklich unterirdisch.

Aber was soll ich sagen, die Behandlung schien gut zu verlaufen und im Ultraschall sah es nach 13 reifen Follikeln aus, was durchaus ein gute Ergebnis wäre.

 

Fortsetzung folgt...

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